• Einige Verbraucher beschweren sich über immergrün, weil der Vertragsbeginn vor Lieferbeginn gestartet haben soll.
  • Für Verbraucher ist dies überraschend. Um den Neukundenbonus zu erhalten, müssten Sie nämlich 2 Jahre Kunde sein. Dies ist branchen-un-üblich
  • Gegen die Auslegung des Vertragsbeginns können Sie sich mit meinen Hinweisen wehren. 

Autor: Matthias Moeschler; Stand: 15.11.2020

 

 

 

Vertragsbeginn vor Lieferbeginn | Versorgungsbeginn: Argumente von immergrün

Der Stromanbieter immergrün vertritt manchmal den Standpunkt, dass das Vertragsverhältnis nicht erst mit Lieferbeginn, sondern bereits mit Vertragsabschluss beginnt. Dies berichten Verbraucher insb. auf de.reclabox.com. Das Unternehmen führt in ihren AGBs aus, dass der Vertrag mit der Annahmeerklärung des Energieversorgers zustande kommt. Es wird jedoch nicht genau geregelt, wann der Vertrag beginnt. In früheren AGBs (zum Stand 11/2016) räumte der Stromanbieter ein, den Verbrauchern eine E-Mail mit weiteren Vertragsinformationen, z.B. dem Vertragsbeginn, zusenden.

Folgen für den Verbraucher

Ein Vertragsbeginn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat Auswirkungen auf den Kündigungszeitpunkt und Verbraucher laufen Gefahr, die Kündigungsfrist nicht einzuhalten. Daraufhin lehnt der Stromanbieter die Kündigung ab oder bestätigt diesen gut 1 Jahr später. Der Verbraucher wird gezwungen, ein weiteres Jahr bei immergrün zu verweilen. Wenn er sich dagegen weigert, läuft er Gefahr, den Neukundenbonus zu verlieren, weil bei einer Kündigung zum Zeitpunkt ein Jahr nach Vertragsabschluss keine zwölfmonatige Versorgung vorliegt und die Bedingungen für den Bonus nicht erfüllt werden. Die Argumente der immergrün erachte ich als fragwürdig und Verbraucher haben aus meiner Sicht gute Chancen, sich dagegen zu wehren.

Argumente immergrün

Grundsätzlich darf der Stromlieferant die Auftragsbestätigung und nicht den Belieferungszeitpunkt als Vertragsbeginn wählen. Das AG Bad Kreuznach stimmte im betrachteten Fall der Argumentation der immergrün (ehemals 365 AG) zu, dass „die Laufzeit eines Dauerschuldverhältnisses grundsätzlich mit dem Abschluss des Vertrages beginnt, hier also mit der Annahmeerklärung der Klägerin, und nicht mit dem Beginn der Belieferung, vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2012, Vlll ZR 14/12.“

Gegenargumente und Gerichtsurteile

Das AG Bad Kreuznach urteilte dennoch gegen 365 AG und sprach dem Verbraucher den Neukundenbonus zu. Das Gericht sah nämlich die Klausel „… und beginnt mit Aufnahme der Belieferung“ als widersprüchlich zur Argumentation der 365 AG an.

Ähnlich argumentierte auch das AG Köln (AZ.: 210 C 183/13). Die damaligen AGBs sah der Richter aufgrund Unklarheiten als unwirksam an. Das Gericht sprach dem Verbraucher sogar einen Schadensersatz wegen verzögerter Freigabe des Stromanschlusses zu, weil der Verbraucher erst verspätet zu einen günstigeren Stromanbieter wechseln konnte.

Selbst wenn die AGBs der 365 AG / immergrün widerspruchsfrei und klar formuliert sein sollten, dürfte ein Vertragsbeginn vor Lieferbeginn für einen Verbraucher überraschend und daher ebenfalls unwirksam sein. Dieses Argument gewinnt an Bedeutung, wenn der Versorger weder in der Annahmeerklärung noch in den Stromrechnungen den Vertragsbeginn oder die eindeutige Vertragslaufzeit benennt. Zudem würde der Neukundenbonus laut AGBs nur Verbrauchern gewährt, die ein weiteres Jahr beim Stromanbieter verweilen. Damit wären die Verbraucher aber nicht neu und die Bezeichnung „Neukundenbonus“ würde ab absurdum geführt werden.

Ratschläge zum weiteren Vorgehen

Folgende Vorgehensweise hat sich bei Verbrauchern als besonders effizient herausgestellt. Ich habe diese Erkenntnisse aus Empfehlungen aus Foren und vom Bund der Energieverbraucher zusammengetragen.

Wenn der Stromanbieter behauptet, der Vertragsbeginn stimme nicht mit dem Lieferbeginn überein, dann empfehle ich Folgendes:

  1. Prüfen Sie, ob ein Vertragsbeginn oder Vertragsende in der Auftragsbestätigung oder in der Stromrechnung benannt wurde, das vom Lieferbeginn abweicht.
  2. Unabhängig davon sollten Sie immergrün widersprechen. Sofern das Unternehmen nicht nachgibt, sollten Sie eine Beschwerde auf Reclabox einstellen und nach vier Wochen die Schlichtungsstelle einschalten. Insbesondere wenn kein vom Lieferbeginn abweichender Vertragsbeginn genannt wurde (Schritt 1), empfehle ich hartnäckig zu bleiben und Kompromissangebote auszuschließen. Die Entscheidung liegt aber natürlich bei Ihnen.

Suchen Sie einen neuen Strom- oder Gasanbieter?

Ich selber wechsle jährlich meinen Stromanbieter. Ich wähle nur Unternehmen, die ein geringes Insolvenzrisiko haben (aufgrund Eigentum an Netzinfrastruktur), verbraucherfreundliche AGB-Klauseln haben sowie in Stromanbieter-Tests zu Service-Qualität insgesamt gut abschneiden. Seitdem hatte ich nie wieder ein Problem.

In dieser Liste habe ich Ihnen zusammengestellt, welche Strom- und Gasanbieter ich empfehle

 

Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt? Konnten Sie sich erfolgreich wehren? Ich freue mich auf Ihren Kommentar!

13 Antworten

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  1. Ich habe zur Zeit genau das selbe Problem aber mit primastrom.Meine Stromlieferung kann erst am Anfang Mai 2023 beginnen und trotzdem berufen die sich darauf,dass mein Vertrag ab Juni 2022 gültig ist. Ich habe schon vieles versucht da raus zu kommen und nichts funktioniert. Ich habe ein Zettel unterschrieben,der mich nicht nur zwei sondern gleich vier Jahre an das Unternehmen binden soll.Leider habe ich das nicht so verstanden und jetzt wollen die meine Kündigung erst zum Mai 2025 anerkennen.Dazu kommt das primastrom eine ganze Ecke teurer ist als mein noch Anbieter und gelockt hat man mich mit billigstrom. Ich habe einen Termin bei der Verbraucherzentrale und was kann ich noch tun?

  2. Was bei diesem Fall: ENSTROGA AG hat mit mir einen Vertrag Vertragsdatum 26.11.2020, vorraus. Liefertermin 18.12.2020. Preisgarantie 12 M., Vertragslaufzeit 12 M., Kündigungsfrist 6 Wochen, Vertragsverlängerung 12 M. Am 22.10. erhielt ich eine Info zur Erhöhung der Abschlagszahlung via @ und am 27.10. eine Info über Tariferhöhung (Arbeitspreis). Ist mein Standpunkt, dass ENSTROGA zu spät war und die alten Preise für mich bis 26.11.2022 gelten, richtig?
    Vielen Dank und MfG.

    1. Ich sehe das anders. Preisgarantie* bedeutet, dass der Preis innerhalb des Zeitraums (oft 12 Monate) nicht erhöht werden darf. Danach kann der Anbieter die Preise erhöhen.
      * = Oft gibt es eine eingeschränkte Preiserhöhung. D.h. dass gewisse Preisbestandteile davon aus genommen sind und auch vorher schon Preiserhöhungen möglich sind (z.B. bei hoheitlichen Umlagen). Dann haben SIe aber ein Sonderkündigungsrecht.

  3. immergrün! ist absolut NICHT empfehlenswert. Alle in diesem Forum aufgeführten Beschwerden knn ich nur bestätigen.
    Erst nach massivem Drohen mit RA und Verbraucherschutz haben die sich gerührt.
    Immergrün! ist ein NICHT-seriöser Anbieter, Finger weg ist die Empfehlung.

    Frank Laas

  4. Hallo Herr Moeschler,
    ich bin auch in die Falle „Vertragsbeginn vor Lieferbeginn bei 365 AG / immergrün“ geraten. In der Vertragsbestätigung steht nur das Datum Köln, 27.03.2019 (Sendedatum) und nirgends ein Wort „Vertragsbeginn oder Vertragsende“. Im Vertrag steht aber Versorgungsbeginn: 11.04.2019. Zu diesem Datum habe ich auch die Kündigungsfrist mit 6 Wochen zum Vertragsende gerechnet (28.02.2020). Im Telefongespräch mit „ immergrün“ wurde ich auch auf den Vertragsbeginn vor Versorgungsbeginn hingewiesen mit dem Verweis auf die AGB Punkt 1 (3): Der Vertrag kommt durch die Annahmeerklärung des Energieversorgers zustande, der dem Kunden mit der Vertragsbestätigung auch den verbindlichen Liefertermin mitteilt.
    Habe ich Chancen auf Erfolg im Streit mit 365 AG / immergrün ?
    VG, Rudolf

    1. Ein Vertrag kommt zustande, sobald dieser vom Anbieter angenommen wird. Dies sagt nichts darüber aus, wann der Versorgungsbeginn ist.
      Aus diesem Grund ist es aus meiner Sicht überraschend, wenn der Bonus oder die Kündigung deshalb verwehrt wird. Ich habe bereits die Rückmeldugn bekommen, dass Verbraucher sich erfolgreich mit meiner Hilfe gewehrt haben!

      1. Hallo Herr Moeschler, etwas überraschend für mich, habe ich die Vertragskündigung zum Zeitpunkt am 10.04.2020, was aus meiner Sicht richtig ist, von immergrün bestätigt bekommen. Der Bonus sollte ich später auch ausgezahlt bekommen.
        Danke Herr Moeschler für die Seite verbraucherhilfe-stromanbieter.de!
        Rudolf

  5. Zum Thema Vertragsbeginn

    Ein weiteres Argument, dass Liefer- und Vertragsbeginn identisch sind, liefert die 365 AG selbst.
    In den mir vorliegenden AGB (Meisterstrom, Stand 13.03.2017) steht unter Punkt 1 (6):
    „Der Kunde ist während der Dauer des Vertrages verpflichtet, seinen gesamten Bedarf an
    Strom bei Stromlieferverträgen bzw. Gas bei Gaslieferverträgen aus den Energielieferungen
    des Energieversorgers zu decken.“ Wenn der Vertrag nun tatsächlich schon vor der Belieferung durch die 365 AG beginnen würde, säße man als Kunde also erstmal im Dunkeln, da man ja keinen Strom von einem anderen Lieferanten beziehen darf.

    1. Klasse, vielen Dank für diesen tollen Hinweis! Dieses Argument können Verbraucher verwenden, um die Widersprüchlichkeit der AGBs zu begründen. Diese Widersprüchlichkeit darf nämlich nicht zu Lasten der Verbraucher ausgelegt werden.

  6. Lieber Matthias,

    danke für diese sehr hilfreiche Webseite. Sie hat mich davor bewahrt, einen sehr unvorteilhaften Stromliefervertrag mit zweifelhaften AGB-Bestimmungen einzugehen. Bitte mach weiter so!

    Zu deinem Ratschlag unter Punkt 2, über reclabox eine Beschwerde einzureichen, habe ich jedoch folgenden Einwand:
    Leider liegen auch zu reclabox zahlreiche negative Bewertungen vor:
    https://de.trustpilot.com/review/reclabox.com

    Die Seite erscheint mir daher nicht zuverlässig! Sicher ging es dir darum, dass der Stromkunde durch reclabox nachweisen könnte, dass die Beschwerde tatsächlich abgegeben, bzw. beim Versorger eingegangen ist…
    Zu diesem Zweck würde ich aber doch lieber auf das gute alte Einschreiben mit Rückschein zurückgreifen und die Beschwerde zusätzlich (und wenn möglich) per Fax und per E-Mail übersenden. Zwar kann der Anbieter dann immer noch behaupten „alles nicht angekommen“, allerdings wäre dies wohl mehr als unglaubwürdig.

    Liebe Grüße
    Richie

    1. Hallo Richie,

      ich stimme dir zu, dass man seine Beschwerde per Fax oder per E-Mail übersenden sollte. Ich sehe Reclabox auch nicht geeignet an, um den Eingang der Beschwerde darüber nachzuweisen.
      Der Grund, weshalb ich reclabox empfehle, ist, dass viele der Stromanbieter darauf reagieren, um negative Publicity abzuwenden. Zudem ist die Beschwerde über Reclabox risikoärmer, als wenn man sich direkt an die Schlichtungsstelle wendet. Ich habe den EIndruck, dass insb. immergrün / 365 AG und Fuxx Sparenergie sich die Schlichtungskosten sparen wollen und den Verbraucher vor Gericht zerren.
      VG, Matthias